Kommentare 0

Wenn’s schlimm ist, ist es schlimm, egal wie schlimm.

Wieso wir aufhören sollten, unsere Empfindungen aneinander zu messen

„Wenn’s schlimm ist, ist es schlimm, egal wie schlimm.“
Das sagte eine sehr kluge Freundin von mir und sie sprach mich damit an. Wir unterhielten uns vorher über Migräne, die sie seit ihrer Schulzeit plagt und Kopfschmerzen, die ich an diesem Tag hatte. Ich hatte wirklich starke Kopfschmerzen und sagte so etwas wie, ich wolle sie damit gar nicht vollheulen, denn ich wüsste gar nicht, wie schlimm es erst sein müsste, Migräne zu haben. Und sie antwortete: „Wenn’s schlimm ist, ist es schlimm, egal wie schlimm“.
Dieser Satz brannte sich bei mir ein und ist über die letzten Monate zu einer Art Mantra für mich geworden.
Denn sie hatte recht. So sehr, dass ich später sogar mal dachte, die Aussage wäre meinem Hirn entsprungen.
Hitzeempfinden oder Schmerzempfinden sind z.B. höchst individuell. Während ich mir tatsächlich noch physisch den Mund und die Zunge an einem heißen Kaffee verbrenne, hat Johannes ihn bereits ausgetrunken.
Wenn wir das nun in abstrakte, nicht messbare Bereiche wie Emotionen übertragen, wird es spannend.
Was für mich eine Lappalie, also eine Nichtigkeit ist, kann für Andere eine echt schlimme Sache sein. Nehmen wir Kinder.

Heute Morgen ist Mini in Tränen ausgebrochen, weil er seinem großen Bruder unbedingt noch etwas sagen musste. Das ging nicht mehr, denn der war schon auf dem Weg ins Schulgebäude. Ich als Erwachsene denk mir, ist doch nicht so wild, sagst du ihm nachher, für ihn ist aber eine kleine Welt zusammengebrochen. Ihm war das so wichtig, dass es bestimmt zehn Minuten gedauert hat, bis er sich gefangen hat und fragt seitdem im gefühlten Minutentakt, wann der Große von der Schule kommt, um ihm endlich sagen zu können, was da seit heute Morgen auf seiner kleinen Seele brennt.

Doch auch unter Erwachsenen sind solche Sätze wie „Hab dich nicht so.“, oder „Sieh dir mal xy an, denen geht es WIRKLICH schlecht!“ wenig hilfreich oder empathisch. Solche Aussagen spielen das Gefühlte runter, werten es sogar ab und haben doch noch nie irgendetwas bei irgendwem besser gemacht, oder?
Ich bin dafür, dass jeder Mensch erst einmal mit seinen Problemen, Ängsten und Empfindungen wertfrei wahrgenommen wird, ohne Vergleiche und Abwertung dieser.
Und: Natürlich gibt es immer Menschen, denen es schlechter geht, gerade als Europäer sind wir unglaublich privilegiert. Das Bewusstsein dafür hat allerdings nichts mit den Empfindungen der Einzelnen zu tun.

Titelfoto: Michèl Passin

Schreibe eine Antwort