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„Wie, du willst keine Kinder!?“

Für ein Umdenken in den Köpfen derer, die alles besser wissen

Kommt eine Frau ins gebärfähige Alter, wird ihr schleichend aber stetig die Mündigkeit abgesprochen. Wird sie dann auch noch schwanger, verliert sie völlig den Status eines Individuums und geht über in Allgemeingut, zu dem Hinz und Kunz eine Meinung haben. Und als würde das nicht schon reichen, teilen Hinz und Kunz ihre Meinung dieser Frau auch mit, ob gefragt oder nicht, ob Erfahrung mit Schwangerschaft und Kindern oder nicht, ob unpassend oder nicht.
Aber fangen wir von vorn an.

Eine Freundin von mir ist 31 und möchte keine Kinder. Sie ist sich ihrer Sache sicher, sie möchte ein entspanntes und ruhiges Leben mit ihrem Bald-Ehemann, sie möchte ein Haus, einen Garten, ja vielleicht ein Haustier, aber sie möchte keine Kinder, sie verspürt weder den emotionalen Wunsch noch tickt eine biologische Uhr. Ihr fehlt nichts und ihr Leben ist erfüllt mit Liebe und tollen Freunden.
Seit sie Ende 20 ist, wird sie allerdings von sämtlichen Menschen, bekannten und unbekannten, hinterfragt, ungläubig beäugt, skeptisch und auch zynisch beurteilt. Doch, geht das irgendjemand anderen etwas an, außer sie?

Kommen wir zur ungewollten bzw. ungeplanten Schwangerschaft. Hier muss sich Frau nicht nur gegenüber Privatpersonen verantworten und Rede und Antwort stehen, sondern auch gegenüber des Staats. Sie ist diejenige, die sich ohne Hilfe auf den Weg machen muss, der sicher auch ohne schüttelnde Köpfe seitens ÄrztInnen und ProKind-Beratungsstellen schwer genug ist.
Dass eine medizinische Aufklärung und Untersuchung hier unabdingbar ist, ist klar. Es ist auch super, dass es diese Beratungsstellen gibt, für Frauen, die unsicher sind, Hilfe suchen und brauchen. Aber es gibt sie auch, die Frauen, die sich sehr sicher sind und die nicht überredet oder überzeugt werden wollen und müssen, weil sie selbst am besten wissen, was das Beste ist. Geht das denn irgendjemand anderen etwas an, außer sie?

Nehmen wir an, diese Frau ist gewollt schwanger und möchte das Baby gern haben, wünscht sich aber einen Kaiserschnitt, weil sie Angst vor einer natürlichen Geburt hat, traumatische Geschichten kennt oder gar selbst schon erlebt hat, oder selbst einen medizinischen Hintergrund hat und sich gut mit selbstbestimmten Kaiserschnitten und Risiken einer natürlichen Geburt auskennt. 
Sie findet den Gedanken, dass der Vater die ersten Bondingmomente übernimmt genau so wertvoll, wie die mit sich selbst. Geht das irgendjemand anderen etwas an, außer sie?

Die nun mittlerweile Mutter gewordene Frau stillt und es tut ihr unglaublich weh, die Brustwarzen bluten. Jedes Mal, bevor sie ihr Baby anlegt, weint sie schon vorher, vor Angst, wieder diesen beißenden Schmerz aushalten zu müssen. Sie hat so furchtbare Schmerzen, wie noch nie in ihrem Leben, sie verliert langsam den Draht zu ihrem Baby, verflucht die Situation.. Kann denn nicht jede Mutter stillen!? Sie setzt sich mit dem Thema Abstillen auseinander. Geht das irgendjemand anderen etwas an, außer sie?

Sie möchte nach einem Jahr wieder arbeiten gehen und gibt ihr Kind in einen Kindergarten. Sie arbeitet gern, geht in ihrem Job auf und steigt voll wieder ein. Sie vertraut den ErzieherInnen, ihr gefällt die Einrichtung und sie sieht, wie glücklich ihr Kind dort ist. Geht das irgendjemand anderen etwas an, außer sie?

Es vergeht etwas Zeit und sie überlegt, ob sie ein zweites Kind möchte, oder nicht. Sie entscheidet sich dafür, oder dagegen. Geht das eigentlich irgendjemand anderen etwas an, außer sie?

„Da wirst du im Alter aber sehr einsam sein.“
„Dann kommt dich ja niemand besuchen, wenn du im Altersheim bist.“
„Du wirst den Abort später bereuen.“
„Was ist, wenn du danach nie wieder Kinder kriegen kannst?“
„Ohne eine natürliche Geburt bist du keine richtige Mutter.“
„Es ist unnatürlich, so hat die Natur das nicht vorhergesehen.“
„Nicht-stillende Mütter sind einfach faul!“
„Jetzt beiß mal die Zähne zusammen, so schlimm wirds wohl nicht sein?!“
„Wie kannst du deine Kinder in fremde Hände geben?“
„Wieso hast du Kinder, wenn du eh den ganzen Tag arbeitest?“
„Mit nur einem Kind ist man gar keine richtige Familie!“
„Ein zweites Kind? Na viel Spaß, du wirst dich noch umgucken.“
Das alles sind Beispiele von Behauptungen, die sich Frauen in den oben geschilderten Situationen anhören und aussetzen müssen, obwohl sie niemanden nach einer Meinung gefragt haben!

Wie soll denn jemals Gleichberechtigung real werden und die Genderschere sich schließen, wenn Männer und auch Frauen, den Frauen ihre Mündigkeit entreißen, weil sie meinen, es besser zu wissen, sie umstimmen oder gar erziehen zu müssen? 
Hinter jeder Entscheidung stehen Geschichten und reale Leben, mit Situationen und persönlichen Erfahrungen, die doch niemand besser beurteilen kann, als die betreffende Person. Jede Gegenwart ist individuell und jede Zukunft ist es ebenso. 

Wir müssen damit aufhören, Frauen diese Mündigkeit abzusprechen, denn es ist nicht unser Recht, uns dazu ein Urteil zu erlauben!

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